27 April 2006

Mädchen oder Frau?
Unlängst wurde eine befreundete kurzhaarige, große Frau von Anfang 30 von einem Kind gefragt, ob sie denn nun eine Frau, ein Mädchen, ein Junge oder ein Mann wäre. Da dem schlauen Kind die Antwort "Frau" offensichtlich nicht so gut gefiel, kommentierte es diese mit den Worten: "Die ist nie eine Frau, höchstens vielleicht noch ein Mädchen."

Frau - was ist das also? Sichtbar weibliche Formen, lange Haare, Mann an der Seite, Kind unterm Arm, beim Grillfeuer anzünden rufen "Schatz, kannst du das mal machen?". In Kinderaugen scheint das so zu sein. Doch in den Augen der restlichen Gesellschaft ist es auch nicht wirklich anders. Multi-Tasking-Frauen mit sieben wohlerzogenen Kindern, Doktortitel, immer gleicher Frisur und Top-Job sind Monster-Frauen - kann gar nicht sein, dass das funktioniert, die armen Kinder etc. pp.
Frauen, die ihr Kind ab dem dritten Monat in eine Krippe geben wollen, weil sie weiterarbeiten wollen oder müssen, sind Rabenmütter, tun ihren Kindern Schlimmes an, wieso haben die überhaupt welche bekommen?
Frauen, die sich entschließen sich ganz und gar auf die Kinder zu konzentrieren, den Haushalt erledigen und ihrem Mann den Rücken freihalten und ihm den 12-Stunden-Arbeitstag ermöglichen, sind vollkommen unemanzipierte, arme Wesen, die sich in heutzutage unnötige Abhängigkeiten begeben.
Frauen, die Kinder haben und nebenbei arbeiten wollen, aber nicht voll, sondern so, dass sie sich auch noch um die Kinder kümmern können, finden keinen Job oder verdienen mit dem Minijob so wenig, dass es dabei wirklich nur um den Spaß an der Arbeit gehen kann. Wieso arbeitet die überhaupt?, das ist so eine Art Selbstfindung, was? heißt es dann.

Und dann die Diskussion über die fehlenden Kinder in Deutschland. Staatliche Förderungen müssten her, heißt es dann, um das angebliche Problem zu lösen. Aber ist da überhaupt ein Problem? Bei mir auf der Straße lärmen entsetzlich viele Gören den halben Tag auf der Straße rum - und ich wohne nicht im Prenzlauer Berg. Aber es sind wohl nicht diese Kinder, die dunkelhaarigen, die nicht "Hallo" sondern "Merhaba" sagen, die die Politiker meinen, wenn sie sagt, sie gäbe es nicht. Aber das ist nochmal eine andere Diskussion.

Jetzt heißt es, die deutschen Mütter wären faule Latte Macchiato-Trinkerinnen, die nicht arbeiten wollen, gleichzeitig aber auch keine Lust auf Haushalt haben. Ich farge mich ernsthaft: Welcher dummdreiste Mann hat sich das wieder ausgedacht? Wie man's macht, ist es verkehrt. Es macht ja gar keinen Spaß mehr, Kinder in die Welt zu setzen, wenn alle anderen immer besser wissen, wie man es am besten regelt, wenn man allerorten als Rabenmutter, Glucke oder Monster beschimpft wird.
Die schönste Beschimpfung liefert in diesem Zusammenhang natürlich Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner: "Mütter ihr seid faul! Schuhe kaufen, Unterhautfettgewebe wegtrainieren, auf Single-Frau tun, einen 20-Jährigen verführen. Ich bin glücklich, dass meine Mutter eine Trümmerfrau war!"
Oh wow. Wie wenn Franz-Josef und seine Kumpanen auf fettansetzende, mütterliche Mittvierzigerinnen stehen würden. Und selbst? Sind es nicht genau diese Typen, die versuchen reihenweise 20-jährige Mädels mit ihrem Geld zu verführen? Denn mit ihrer tollen Figur und ihrer glatten Haut können sie ja nicht mehr prahlen, die alten Säcke. Und sind nicht die Mütter von heute genau deswegen wieder Trümmerfrauen. Alle Nase lang werden sie mit ihrem kleinen Kind sitzen gelassen, dauernd betrogen oder schon vor der Geburt verlassen. Dann müssen sie die Trümmer einsammeln, die die Männer in ihrem Leben hinterlassen haben und auch noch ihr Kind vor den herabfallenden Teilen schützen.

Ach ja, es gibt auch andere Männer, schon klar. Aber wie das im Moment so diskutiert wird, lässt jeglichen Glauben an die "Anderen" schwinden. Bisher sind noch fast alle Kinder groß geworden. Und dass manche Mutter ihr Kind im Blumentopf verscharrt oder verhungern lässt und in die Kühltruhe steckt, wird bestimmt nicht seltener, wenn man die Mütter ständig beschimpft. Wie wärs denn mal mit konstruktiver Unterstützung statt Besserwisserei? Mhm?

inspiriert von Alex Rühles Artikel "Cappuccino-Luder" in der SZ vom27.4. und all den anderen Texten zum Thema

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