16 Dezember 2005


Brot und Schoko
Mein erstes pain au chocolat werde ich nie vergessen. Ich war mit dem Schüleraustausch in der 10. Klasse eine Woche in Frankreich. Anne hieß meine Austauschpartnerin bei deren Familie ich wohnte. Sie hatte zwei große Brüder, in den jüngeren der beiden hatte ich mich sofort unsterblich verliebt, und eine kleine Schwester. Zum Abendessen gab es Hähnchen, Bohnen und Chips und ich dachte nur, das kann nicht wahr sein: keine Soße, alles trocken, erzähl mir einer noch was von der guten französischen Küche. Am Tisch verstand ich rein gar nichts. Alle unterhielten sich in einer solchen Geschwindigkeit, dass mir die einfachsten Wörter nichts sagten.
Das Wort poubelle lernte ich dort und wunderte mich sehr, dass man in der Schule ein solch essentielles Wort wie Abfalleimer nicht gelernt hatte. Eines Tages fand ich einen Zettel in der Küche "on est allé chercher Anne à l'ecole". Wow, klang das vornehm: Man ist Anne in der Schule abholen gegangen. Das roch förmlich nach Dienstboten. Danach war es allerdings weniger elegant. Den Eltern der armen Anne war nämlich gerade eröffnet worden, dass ihre Tochter das Klassenziel wohl nicht erreichen wird. Drame enorme. Die Eltern waren sauer, Anne heulte, und ich konnte sie kaum trösten - mit welchen Worten auch? Poubelle wäre nicht so angebracht gewesen. Dabei verstand ich sie so gut, schließlich war ich auch nie Klassenbeste gewesen.
Am letzten Tag fuhren wir mit der Mutter in den Supermarkt. Hypermarché. Wie lächerlich da unsere Super-Märkte plötzlich wirkten. Aber klar, la Grande Nation musste gigantische Märkte mit Superlativnamen haben, sonst wär's ja nicht la Grande Nation gewesen. Am Ausgang war ein kleiner Bäckerstand und la maman kaufte uns allen ein pain au chocolat. Es war noch warm. Und ich hatte mein erstes kulinarisches Erlebnis der besonderen Art. So begeistert war ich, dass ich gleich sechs weitere kaufte, um sie mit nach Hause zu bringen. Meine Familie musste das probieren. So etwas Leckeres hatte ich im Leben noch nicht gegessen. Zu Hause steckte ich die pains kurz in den Ofen und es war, wie sowas immer ist: lange nicht so gut wie vor Ort. Und seitdem habe ich nie wieder so ein gutes pain au chocolat gegessen.

1 Kommentar:

Zwergenaufstand hat gesagt…

Pain au chocolat - das bringt Erinnerungen hoch.
In 5 1/2 Monaten Paris war auf dem Weg zwischen Zimmer und Sprachkurs der Gang in eine hübsche kleine Bäckerei an der Ecke fast unumgänglich. Baguette Campagne und dann ein pain au chocolat oder pain au raisin. Die schmeckten nie wieder so gut wie da, was nicht allein daran lag, dass dort noch mit Butter statt mit billiger Margarine gebacken wird.
Zeit, mal wieder nach Frankreich zu fahren.